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Vereinfachung eines ERP-System Wechsels

So reduzieren Sie die Komplexität beim Systemwechsel

Viele Unternehmen stehen in den nächsten Jahren vor einem ERP-System Wechsel, so auch alle SAP R/3 Anwender, deren System zum Jahr 2027 abgekündigt wurde und die nun vor der Umstellung auf SAP S/4 HANA stehen. Wie aufwändig der Systemwechsel wird, hängt von der Strategie ab.


Der Wechsel eines ERP-Systems stellt Unternehmen vor große Herausforderungen. Häufig wurde das bisherige System durch die Programmierung firmenspezifischer Anpassungen stark verändert. Hinzu kommt eine über Jahre gewachsene Komplexität in den Prozessen und der IT-Landschaft unterhalb des ERP-Systems. So sind oft zahlreiche IT-Subsysteme, Excel-Sheets und Datenbanken mit dem bisherigen System verknüpft. Bei mehreren Standorten kommt hinzu, dass die IT-Landschaften der einzelnen Werke häufig sehr heterogen sind (vgl. Abb. 1). Beim ERP-System Wechsel besteht daher ein nicht unerhebliches Risiko, dass entweder die Projektkosten aus dem Ruder laufen oder dass der reibungslose Betrieb gefährdet wird.

Abb. 1: Hohe Komplexität sowie heterogene IT-Landschaften unterhalb des ERP-Systems bergen ein Risiko für den ERP-System Wechsel
 
Wie aufwändig der ERP-System Wechsel wird hängt von der Strategie ab. Prinzipiell bieten sich folgende Strategien an:

1.    Brownfield – Integration in die bestehende Landschaft
Beim Brownfield Ansatz wird das neue ERP-System in die bestehenden Strukturen eingebunden. Es entsteht – insbesondere bei einer hohen Komplexität der aktuellen Strukturen - ein hoher Anpassungs- und damit auch Kostenaufwand. Zudem vergibt man sich die Chance, die Komplexität aus der bisherigen IT-Landschaft herauszunehmen, was künftige Weiterentwicklungen in Richtung Smart Factory sicher erschweren wird. Bei mehreren Produktionsstandorten wird es bei dieser Strategie auch weiterhin werksspezifische ERP-Ausprägungen geben, was die Etablierung eines schlanken, einheitlichen Systems erschwert.

2.    Greenfield – radikaler Neuanfang mit Chance zur Entrümpelung
Der Greenfield Ansatz entspricht einem Neuanfang. Mit ihm wird das Ziel verfolgt, einen hohen Anpassungsaufwand im ERP-System zu vermeiden. Dabei besteht jedoch das Risiko, dass viele der bisherigen, an das Altsystem angebundenen IT-Systeme, Excel-Sheets, Datenbanken, etc. nicht mehr einwandfrei funktionieren werden. Der Greenfield Ansatz bietet sich daher am ehesten an, wenn man bisher weitestgehend mit den Standardfunktionalitäten des ERP-Systems auskam und unterhalb des Systems keine allzu komplexe IT-Landschaft aufgebaut hat.

3.    Bottom-Up/Greenfield – schrittweise Vorgehensweise mit Chance zur Entrümpelung (Empfehlung)
Der Bottom-Up/Greenfield Ansatz verfolgt das Ziel, zunächst die Komplexität unterhalb des ERP-Systems systematisch zu reduzieren, bevor der Wechsel zum neuen ERP-System erfolgt. Dadurch werden die funktionalen Anforderungen an das neue ERP-System sowie der Aufwand bei der ERP-Einführung drastisch reduziert, so dass das neue ERP-System sehr wahrscheinlich auch Greenfield eingeführt werden kann. Die Reduzierung der Komplexität unterhalb des ERP-Systems lässt sich in der Regel durch die Integration eines Manufacturing Execution Systems (MES) oder einer entsprechenden Integrationsplattform realisieren (vgl. Abb. 2).

Abb. 2: Bottom-Up/Greenfield Ansatz: Systematische Reduzierung der Komplexität unterhalb des ERP-Systems durch ein MES zur Verschlankung der funktionalen Anforderungen an das Next-Generation ERP-System
 
Die werksspezifischen IT-Anforderungen werden bei dieser Strategie überwiegend auf der jeweiligen MES-Ebene abgebildet. Damit lassen sich viele der bisherigen (kostenintensiven) IT-technischen Verschwendungen vermeiden. Beispiele solcher Verschwendungen sind:

•    Viele IT-Inselsysteme (und damit zahlreiche Lieferanten, Supportverträge, etc.)
•    Veraltete Systeme (Risiken: Support, Sicherheit, Knowhow bei Mitarbeitern)
•    Fehlende Schnittstellen zwischen den Systemen (häufig der Mensch, Papier, Excel)
•    Redundante Datenhaltung
•    Fehlende Standardisierung (stattdessen häufig Eigenprogrammierung)
•    Zeitverzug (nicht in Echtzeit)
•    Im Konzern häufig werksspezifische IT-Landschaften, keine globale IT-Architektur

Durch die Einführung einer MES-Ebene lassen sich aber auch viele Prozesse optimieren, wie z.B.

•    Die lückenlose Erfassung von Auftragsdaten, Maschinendaten, Chargeninformationen, Qualitätsdaten, Prozessdaten (Temperaturen, Drücke, etc.), etc.
•    Die Feinplanung der Produktion in Echtzeit
•    Die Synchronisierung von Werkzeugbau und Produktionsplanung
•    Die Synchronisierung von Instandhaltung und Produktionsplanung
•    Die Synchronisierung der Qualitätssicherung mit der Produktion (mengen-, zeit- und ereignisabhängig)
•    Die Synchronisierung der Intralogistik mit der Produktionsplanung und Produktion (Basis für Transportaufträge, fahrerlose Transportsysteme, eKanban)
•    Aktives Shopfloor Management mit aussagefähigen KPIs und Auswertungen in Echtzeit
•    Bereitstellung von Daten für Datenanalysen und Prognosen (z.B. Predictive Maintenance)

„Die Konsolidierung der IT-Landschaft zwischen ERP-System und Produktion birgt ein erhebliches wirtschaftliches Potenzial, sie vereinfacht zudem eventuelle ERP-Wechsel und schafft eine solide Basis für die weitere Digitalisierung in Richtung Smart Factory“, so Jochen Schumacher, Geschäftsführer der Perfect Production GmbH. Die Voraussetzung für die Konsolidierung der IT-Landschaft ist dabei die genaue Kenntnis des Status-Quo: Welche Prozesse gibt es derzeit auf der MES-Ebene? Wie werden diese IT-technisch unterstützt? Welche Vernetzungen gibt es im Informationsfluss? Wo besteht Handlungsbedarf? Antworten auf diese Fragen lassen sich innerhalb weniger Tage mittels einer Wertstromanalyse 4.0 finden. Dementsprechend sollte die Entwicklung einer neuen IT-Zielarchitektur für das Unternehmen immer auf einer solchen Analyse basieren. Abbildung 3 zeigt das empfohlene Vorgehensmodell für die Bottom-Up/Grennfield Strategie.

Abb. 3: Vorgehensmodell beim Bottom-Up/Greenfield Ansatz
Schritt 1: Wertstromanalyse 4.0
•    Aufnahme relevanter Prozesse in Produktion und Administration
•    Aufnahme der eingesetzten IT-Systeme, Datenbanken, Excel-Sheets, Papierdokumente, etc.
•    Sensibilisierung der Mitarbeiter für die erforderlichen Veränderungen

Schritt 2: Ermittlung der funktionalen Anforderungen auf der MES-Ebene
•    Identifizierung von MES-Einsatzszenarien (je Standort)
•    Bewertung und Priorisierung

Schritt 3: Entwicklung einer IT-Zielarchitektur (ERP, MES, etc.)
•    Konsolidierung der werks- und bereichsspezifischen Anforderungen
•    Entwicklung einer IT-Zielarchitektur zwischen ERP-System und Produktion
•    Definition von Umsetzungsphasen

Schritt 4: Erstellung eines MES-Lastenhefts und Ausschreibung
•    Erstellung eines anbieterneutralen MES-Lastenhefts
•    Ausschreibung und Anbieterauswahl

Schritt 5: Einführung des Manufacturing Execution System (MES)
•    Einführung der Phase 1 Funktionalitäten
•    Sukzessiver weiterer Ausbau

Schritt 6: Start des ERP-Projekts
•    Anforderungsanalyse (mit jetzt deutlich reduzierten funktionalen Anforderungen)
•    Gegebenenfalls Anbieterauswahl
•    Einführung

Fazit: Unternehmen, die in den nächsten Jahren einen ERP-Wechsel oder ein ERP-Update planen, sollten sich überlegen mit welcher Strategie sie an das Vorhaben gehen. Mit einer Bottom-Up/Greenfield Strategie, bei der vor dem ERP-Projekt die MES-Ebene eingeführt wird, lassen sich Aufwand und Risiko des ERP-Projekts deutlich reduzieren. Zudem wird eine ausbaufähige Basis für die weitere Digitalisierung in Richtung Smart Factory geschaffen.

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